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  • Supervox: Geräuschüberfrachtung durch Quix und Cellolitis Das Kindertheaterfestival "Kuck mal!" eröffnete am Samstag und sucht diesmal einen "Platz für Töne" OSNABRÜCK. (...) Ein Leckerbissen in Sachen Kindertheater bot schließlich die Lagerhalle im Spitzbogen mit dem Stück "Supervox - powered by music" des Hamburger Theaters Triebwerk. In Zusammenarbeit mit Jan Pusch kämpften Uwe Schade und Heino Sellhorn als arbeitslose Musiker mit Cello und Kontrabass gegen eine lebensgefährliche Geräuschüberfrachtung an. die durch die Einführung von "Supervox", einem Energiegewinnungssystem aus Musik, verursacht wurde. Verfolgt von Klangresten, sogenannten "Quix", und Wortkapriolen wie "Cellolitis", "Limbonade" oder "Operetten-Buletten", mussten sie zudem den wahnsinnigen Wissenschaftler Dr. Phistler aufhalten, der die Welt mit seinen eigenen Geräuschen und Stimmen überfluten wollte. Eine spannende Mischung aus Comedy, Pantomime und Stimmenimitation sowie erstaunlichsten Tönen, die beide Musiker ihren Instrumenten entlockten. Musik-Theater meets Science-Fiction: ein weiteres Beispiel dafür, was Kindertheater alles sein kann. (...) Uta Biestmann-Kotte - Neue Osnabrücker Zeitung - 21. April 2009
  • Papperlapapp der Tiere Süddeutsche Zeitung 17.11.2015: Ebersberger Kindertheatertage finden mit dem "Papperlapapp der Tiere" einen wundervollen Abschluss LINK ZUM ARTIKEL>>>
  • Musik
  • Theater Triebwerk Songs
  • Pilkentafel-Premiere: Politik und Plauderei Anton Bohde und Torsten Schütte sorgten für Action auf der Theaterbühne Ein höflicher Empfang im Theaterraum, der im Retro-Chic der sechziger Jahre mit samtblauen Sesseln ausgestattet ist. FLENSBURG | Die Theaterwerkstatt Pilkentafel und das Theater Triebwerk Hamburg luden am Donnerstagabend zur Premiere ein. Auf dem Spielplan stand das Stück „Ein Tag wird kommen….“ – eine Plauderei über die Utopien der Ingeborg Bachmann. Höflich-devoter Empfang im Theaterraum, der im Retro-Chic der sechziger Jahre mit samtblauen Sesseln und einer gut bestückten Cocktailbar ausgestattet ist. Eine gepflegte Umgebung für eine berühmte Dichterin.Wer war Dr. Phil. Ingeborg Bachmann? Was wollte die Gruppe 47? Mit diesen einfachen Fragen des jungen Anton Bohde an die ältere Generation startete ein Abend mit Lesungen, Musik und Videoprojektionen rund um eine der talentiertesten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre vielschichtige Persönlichkeit im Ganzen zu erfassen, haben schon viele Literaturwissenschaftler mehr oder weniger erfolgreich versucht. So war es eine kluge Entscheidung der Regisseurin Elisabeth Bohde, die Textauswahl zu fokussieren auf Bachmanns meisterhafte Beschreibungen politisch bedingter Situationen der Nachkriegszeit und diese in Bezug zur Gegenwart zu setzen.Es gibt in dieser Aufführung wenige Momente des ruhigen Fallenlassens in die Texte: die klar formulierten Sätze der großen Denkerin werden durch ein stetiges Kommen und Gehen mit unterhaltsamen Werbeschildern und Konsumangeboten unterbrochen. Bachmann-Zitate auf Küchenschürzen und Shirts – literarische Appetizer als unmittelbare Anspielungen auf die Vermarktungsstrategien von Wirtschaftsunternehmen und Medienmacht.Bei aller Konzentration auf diese politischen Aspekte, gelingt es der Regisseurin und den Schauspielern auch, die Komplexität einer wandlungsfähigen Künstlerpersönlichkeit anzureißen. Bachmanns Ringen um eine neue Sprache überschritt, so Bohde, manches Mal die Grenze zum Pathos, was im dramatischen Rezitat in Verbindung mit elektronischen Cello-Klängen des Musikers Uwe Schade ausdrucksstark hervorgehoben wurde. – Quelle: https://www.shz.de/21113942 ©2018
  • Die verrückte Hutjagd

    Theater Trieb­werk im Fundus Theater

    Die verrückte Hutjagd
    Text: Angela Dietz | Foto: Daniel Butowski
    Das Wich­tigste in Oma Hannes Leben ist ihr Hut. Ohne ihn geht nichts. Eines Morgens ist er verschwunden. Oma Hanne ist entsetzt und macht sich unver­züg­lich auf die Suche. Mit Uwe Schade am Cello und Heino Sell­horn am Kontra­bass gerät Luzia Schel­ling als Oma Hanne unver­se­hens auf eine verrückt-poetische Schnit­zel­jagd. Etliche Tassen Kaffee und viele Fund­stücke später hat sie etwas Wich­tiges wieder­ent­deckt: die Erin­ne­rung an ein Stück Kind­heit und die Befreiung vom Hut. In der Regie von Nina Matten­klotz und der ebenso mini­ma­lis­ti­schen wie wunder­schönen Ausstat­tung von Lena Hiebel gelingt es den drei Schau­spie­lern und Musi­kern für die überbor­denden Bilder von Sven Nord­qvists Vorlage eine ganz eigene ästhe­ti­sche Überset­zung zu finden. Die Fülle der Illus­tra­tionen und den Detail­witz überträgt das Theater Trieb­werk auf den Bühnen­text, die Musik und das Spiel. Das zuweilen Surreale des Bilder­buch­t­extes findet seine Entspre­chung im Bühnen­bild und -dialog. Während im Buch ledig­lich das Huhn an einer Stelle sprach­lich laut­malt und holper-stolpert, greifen Schade und Sell­horn das auf, um auf der Bühne nicht nur beim Huhn eine Reim-Assoziationskette zu rattern und zu singen, dass es eine Lust ist. Auch Hund und Hase hecheln und spre­chen ganz komisch. „… kalt, geschnallt, … Schuh, Wand, puh, Wand, Kuh, Hand­schuh …“. Der Witz erscheint nur vorüber­ge­hend als schöner Unsinn. Immer wieder entfaltet sich ein Bezug zum Bühnen­ge­schehen, zur Geschichte, kann neuer Sinn entstehen. Geraten erwach­sene Zuschauer darüber lächelnd ins Philo­so­phieren, spüren die Kinder im Publikum schon am Sprach­klang den Witz und brechen in lautes Gelächter aus. Heino Sell­horn und Uwe Schade setzen ihre starken und viel­fäl­tigen Ausdrucks­mög­lich­keiten an Bass und Cello – wie bei den zahl­rei­chen anderen Produk­tionen des Thea­ters Trieb­werk – genau und maßvoll ein. Ein winziges Fund­stück, klack, fällt auf den Boden, begleitet von einem Walking-Bass. Wie eine E-Gitarre kreischt das Cello, wenn Verkaufs­leiter Kanini und Oma Hanne auf dem Bugatti abdüsen. Zarte Töne, wenige Töne, Klang­tep­pich im Hinter­grund, Lied­be­glei­tung oder Tacet, alles ist am Platz. Schau­spie­le­risch sind die beiden genauso überzeu­gend wie als Musiker. Eins durch­dringt das andere. Sell­horn strotzt vor Kraft und Leiden­schaft bei seiner Bluessänger-Einlage. Und obwohl die Zuschauer im Alter von fünf, sechs Jahren kaum den alten Hit von Step­pen­wolf kennen können, amüsieren sie sich köstlich. Luzia Schel­ling als Oma Hanne – in der Vorlage ist die Haupt­figur ein Groß­vater – ist eine nicht nur sinn­volle Ergän­zung für das einge­spielte Duo Schade und Sell­horn. Mit ledig­lich zwei Spie­lern wäre die drama­tur­gi­sche Umset­zung des Bilder­buchs schwierig geworden. Schel­ling balan­ciert ihren überdi­men­sio­nierten Pappmaché-Kopf auf Oma Hannes eher zartem Körper und spielt mit beidem. Ein Wutan­fall, ein paar Worte oder die Lust am Fahrt­wind dringen stimm­lich durch die Maske und kommen gut zum Ausdruck, auch ohne bewegtes Mienenspiel. Auf der Bühne nimmt der Kopf großen Platz ein, wie um deut­lich zu machen, was sich alles im Ober­stüb­chen abspielen kann – was das Publikum zu sehen bekommt. Nach der wilden Motor­rad­tour, einem Flug-Ritt zurück in die Jugend, setzt Oma Hanne den Helm­kopf ab. Sie ist ange­kommen, fast. Denn sie verharrt nicht in der Erin­ne­rung, sondern beginnt noch einmal – ohne Hut.
  • Jungs. Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 29. Oktober 2013 Pappfiguren mit Aufziehknopf Theater Triebwerk über die Erschütterungen der Pubertät: "Jungs"" im theo des Stadttheaters HILDESHEIM. Dieser Lehrer ist ein Schaf. Säuselnd seine Stimme- Wie er den Kopf zur Seite neigt. Souverän die Körperhaltung, jeder Rhetorik-Trainer wäre stolz auf Sperber, den Geschichtslehrer, dessen verächtliche Plattitüden unter der Lämmchen-Maske des Schauspielers Uwe Schade hervordringen: Da.9 Leben ist ein Spiel'«, sagt er fast verschwörerisch zu Lennart, der soeben vom Elite-Internat geflogen ist. Ein Spiel, das du nicht meistern wirst - das ist der Subtext seines Monologs. Der Blick der Pubertät ist oft der ehrlichste, den Menschen in ihrem Leben entwickeln. Die freie Gruppe Theater Triebwerk widmet sich im theo, der kleinen Spielstätte im Stadttheater, nüt seinem Stück "Jungs" einer Zeit, in der man noch nicht durch den Filter der gesellschaftlichen Zurichtung gedrückt worden ist. Unmittelbar, nah, fast nackt wirkt auch dieser Abend. Eine laute, musikalisch-spielerische Sinn-Odyssee. Auf der kargen Bühne stehen zwei Lampen, kleine, grelle Lichter strahlen die Schauspieler von hinten an, der Rest versinkt im Halbdunkel, eine schwarze Plastikfolie zieht sich im Hintergrund schräg von der Decke bis zum Boden. Vor dieser Kulisse begegnet Lennart Figuren, die Uwe Schade mit Tiermasken vor dem Gesicht oft nur klug andeutet, kurze, manchmal surreale Schlaglichter. Dazwischen ist "Jungs" Erzähltheater, das Freiraum für die eigenen Kopfbilder lässt. Tobias Gronau setzt zu Anfang mit einem Song über den Abschied vom Internat, dem vertrauten Feind, an. Barfuss, mit hochgekrempelten Jeans und Pennäler-Pulli, brüllt er ins Mikro. "Bye, bye" den Exoten. Den Posern. Den Despoten. Und den Pappfiguren mit Aufziehknopf. Lennart ist 17 Jahre, 1,85 Meter groß und benimmt sich nach eigener Aussage "manchmal wie ein Elfjähriger". Er, der Sohn des zukünftigen Bundespräsidenten, der schmierigen Prominenten die Hand schütteln und ein repräsentatives Jurastudium abschließen soll, macht sich Luft. Sein Schulrequiem haut Tobias Gronau mit einer Stimme zwischen Zynismus und Angst heraus, die Hände ums Mikro gewickelt wie um einen Strohhalm der Selbstachtung. Ein wütendes Cello, kraftvoll gespielt von Uwe Schade, flankiert die Stimme, abgehetzt und ein wenig melodramatisch. Alles ist irgendwie zerrissen: die Beschimpfungen, die Lennart für seine Umwelt parat hat, wahrend er im Berliner Großstadtmoloch umherirrt und dort auf Intellektuelle, Huren, lüsterne Heranschmeißer und auch einen Menschen trifft, der sich ernsthaft für ihn interessiert. Die Musik ist improvisiert, Tobias Gronau spielt die Leiden des jungen Gesellschaftsverweigerers in einem Spannungsfeld, das auch die Musik bestimmt. Zwischen der Aggression, die er für die Erwachsenen in seinen Worten parat hat, erzahlt sein Körper andere Geschichten: Sich selbst in eine Bühnenecke zwängend, ist er von einer zappeligen Erwartung durchzogen, sie lässt Beine und Arme zittern und wippen. Vielleicht ist ja doch nicht alles so sinnlos. „Jungs" ist wütendes Theater, das Hoffnung lässt.
  • Bitte nicht stören! Text: Dagmar Ellen Fischer Töne sind auch nur Lebewesen. Sobald ein Musikinstrument einen Ton erzeugt, fliegt der umher, macht sich selbständig und entwickelt ein Eigenleben: Mit seinem Klang verändert er den gesamten Raum. Doch bis es soweit ist, muss jeder Musiker üben. Und dazu braucht er Ruhe, am besten ungestörte Einsamkeit. Ein Cellospieler zum Beispiel hat ein ganz bestimmtes Ritual: Zuerst wird der Bogen mit Kolophonium bestrichen, dann ein Stuhl zurechtgerückt, das Cello wird im richtigen Abstand zum Körper platziert – und das Notenblatt bereit gelegt. Das Notenblatt, richtig, aber wohin eigentlich? Auf den Boden? Aufs eigene Bein? Der Cellist entschließt sich, es mit Kaugummi an den Stamm seiner Zimmerpflanze zu kleben, da hängt es perfekt auf Augenhöhe. Nun kann es aber wirklich losgehen mit dem Üben. „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an“ spielt der Musiker auf seinem Instrument – doch er kommt nicht weit. Es klingelt unerwartet an der Tür. Kurze Zeit später will die Katze gefüttert werden. Dann muss der Cellospieler zur Toilette. Und plötzlich ist da dieser unerklärliche Lärm von draußen … Uwe Schade, Cello- und Schauspieler, macht seinen Alltag zum zentralen Thema der jüngsten Produktion vom Theater Triebwerk: „Bitte nicht stören!“ heißt das Kindertheaterstück für Menschen ab sechs Jahren, und es erzählt 50 Minuten äußerst unterhaltsam aus dem Leben eines Musikers. Doch bei genauem Hinhören erzählt es noch viel mehr. Jede unfreiwillige Unterbrechung lässt die Musik abrupt stoppen, jedes Mal verlässt der Cellist den Raum. Und genau dort passieren während seiner Abwesenheit die merkwürdigsten Dinge: Ein Bär kommt zufällig vorbei und versucht ebenfalls, dem Cello Töne zu entlocken, das aber erweist sich als ziemlich schwierig mit seinen riesigen Pranken; wenig später geht ein Kater auf das Cello los, doch auch ihm gelingt nur schräg klingende Katzenmusik; dann fliegt eine Eule herein, sie schafft es tatsächlich, dem Instrument wohlklingende Töne zu entlocken. Schließlich taucht ein Gespenst wie aus dem Nichts auf und … aber das muss man mit eigenen Augen gesehen haben. Nach jeder Rückkehr findet der Cellist sein Zimmer anders vor als er es verließ und wundert sich – zum großen Vergnügen der Kinder im Publikum. Wieso liegt sein Cello plötzlich auf dem Boden? Von den tierischen Besuchern weiß er ja nichts, nur das Publikum war Zeuge. Und warum ist plötzlich die Pflanze umgefallen? Skeptisch schaut er sein Instrument an: Führen die von ihm erzeugten Töne vielleicht ein noch abenteuerlicheres Eigenleben, als er je ahnte? „Bitte nicht stören!“ ist wunderbar tiefgründiges und fantasievolles Musiktheater für Kinder.
  • “Jo im roten Kleid” Eröffnung „Spurensuche“ mit „Jo im roten Kleid“ Highlight, Kinder & Jugend, Kritiken, Spurensuche 2014, Vorberichte — By Redaktion-SI on 26. Juni 2014 1:40 Uhr Fundus Theater Eröffnung “Spurensuche” mit “Jo im roten Kleid” — Godot – Das Hamburger Theatermagazin.    10.07.14 16:12 Preisgekröntes Duo zur Eröffnung der „Spurensuche“: „Jo im roten Kleid“ vom Theater Trieb- werk aus Hamburg Text: Sören Ingwersen | Foto: Margaux Weiß Leere Stühle sind beim Eröffnungsempfang des fünftägigen Festivals „Spurensuche“ im Fundus Theater Mangelware. Etwa 120 Theatermacher sind bis zum 29. Juni im Kinder- und Jugendtheater in der Hasselbrookstraße zu Gast. Für Theaterleiterin Sibylle Peters der „Höhepunkt einer dreijährigen Testphase“. Gemeint ist das hauseigene Format des „Forschungstheaters“, bei dem es darum geht, mit spielerischen Aktionen ein besseres Verständnis für komplexe Problemfelder zu entwickeln. Ort des „Forschungstheaters“ ist der neue Raum direkt hinter der Bühne, in den Peters live hineinfilmt. Das Kamerabild zeigt eine offene Tür auf dem geschlossenen Vorhang: „Nun ist unser Haus groß genug für die ‚Spurensuche‘!“ Die kleine Perfor!mance zur Begrüßung im Theatersaal kommt gut an. In den nächsten Tagen werden auf dem Festival der Assitej (Association Internationale du Théâtre pour l’Enfance et la Jeunesse), das seit seiner Premiere 1992 auf Kampnagel erstmals wieder in Hamburg stattfindet, herausragenden Produktionen des freien deutschsprachigen Theaters für Kinder und Jugendliche gezeigt. Hinzu kommen Workshops, Vorträge und Inszenierungsgespräche. Am Eröffnungstag steht eine Hamburger Inszenierung gleich zweimal auf dem Programm: die 2013 mit dem Kindertheaterpreis der Hamburgischen Kulturstiftung ausgezeichnete Produktion „Jo im roten Kleid“ vom Theater Triebwerk. Das Kleid seiner Mutter möchte er anziehen. Das mit dem tiefen Ausschnitt. Und sich dann vor dem Spiegel bewundern. Muss Jo sich dafür schämen? Ein Junge mit vielen Fragen, die sich mit dem Satz „Wann ist ein Mann ein Mann?“ vielleicht am besten auf den Punkt bringen lassen. Heino Sellhorn liest die Zeilen des berühmten Grönemeyer-Songs vom Blatt. Uwe Schade hat sich derweil – hinter der Papierwand nur als Schattenriss sichtbar – in Schale geworfen und sein begehrtes Objekt übergestreift: das rote Kleid. Mit großer Eindringlichkeit gelingt es Regisseurin Nina Mattenklotz und den beiden hervorragenden Darstellern, gängige Geschlechterrollen zu hinterfragen und zugleich eine Geschichte vom Erwachsenwerden zu erzählen. Bruchstücke von Erinnerungen blitzen auf. Was ist peinlich? Dem eigenen Vater ähnlich zu sehen? Wovor fürchtet man sich? „Ich habe Angst rauszugehen. Ich habe Angst, dass mich keine mag“, sagt Jo. Im Dunkeln steht sein Bühnenpartner, diabolisch nur von einer Taschenlampe angeleuchtet: „Verpiss dich! Dich will hier niemand haben!“ Kurz zuvor hat Pfundskerl Sellhorn – der auch als tapsige Ballettprinzessin eine gute Figur abgibt – sich die Springerstiefel angezogen. Sein Stechschritt knallt bedrohlich auf dem Parkett. Hier ist der Mann ganz Mann. Und Jo das Opfer. Röcheln, Prusten, Schnaufen. Die Loop-Maschine nimmt die Geräusche auf und verlängert sie zu einem Kopfkino der Gewalt. Dann greifen sie wieder zu ihren Instrumenten, Schade zum Cello, Sellhorn zum Kontrabass. Denn die Musik ist wesentlicher Bestandteil dieses Stücks für Jugendliche ab 10 Jahren. Ein Stück, das nachdenklich macht, aufrüttelt, in Sekundenschnelle Stimmungen zaubert und nach 45 Minuten leider viel zu schnell vorbei ist. Jo hat den Mut, sich und seine Geschlechtszugehörigkeit in Frage zu stellen, neu zu erfinden. „Alles nur erfunden“ ist auch das Thema der „Spurensuche“, die noch bis Samstag spannende Inszenierungen zeigt: „Ernesto Hase hat ein Loch in der Tasche“ mit dem Ensemble Materialtheater, Stuttgart (26.6, 10 Uhr), „Ein Bodybild“ mit dem Theater Marabu, Bonn und dem cobratheater.cobra, Hamburg und Hildesheim (26.6., 20 Uhr), „Mutige Prinzessin Glücklos“ mit dem Theater Ozelot, Berlin (27.6., 10 Uhr), „Die Daniel Schneider Show“ mit dem Theater Mummpitz, Nürnberg (27.6., 19 Uhr), und „Trau Dich!“ mit der Kompanie Kopfstand, Berlin (28.6., 18 Uhr).    Jo im roten Kleid: Was ist männlich? Was ist männlich? Und was braucht ein Mann, um als Mann zu gelten? Die Begründung der Jury und ein Interview mit den Machern von «Jo im roten Kleid» Eingeladen zu den Mülheimer Theatertagen 2013: «Jo im roten Kleid» Autor: Heino N. Schade Regie: Nina Mattenklotz Mit: Uwe Schade, Heino Sellhorn Begründung der Jury: «Dieser Junge ist vielleicht zehn Jahre alt, und als wenn es für ihn zwischen Schulhof und Elternhaus nicht schon kompliziert genug wäre – jetzt kommt auch noch etwas hinzu und ändert alles: sein Körper. Gerade noch war der einfach nur da. Eignete sich wie selbstverständlich für das Essen, Trinken, Lernen, Skateboard fahren, Fußball kicken, plötzlich aber (wann genau ist das eigentlich passiert?!) will dieser Körper was, und zwar etwas sehr Eigenes, wie es scheint. Beim Fußball fühlt er sich mit einem Mal unwohl, dafür sieht er sich jetzt gern im Spiegel. Ist das nun schon peinlich für einen Jungen? Bestimmt noch nicht. Aber was ist, wenn dieser Körper nun auch einmal das rote Kleid der Mutter an sich spüren will? Peinlich? Oder doch nicht? Fragen, die wieder andere Fragen folgen lassen, ein Männerleben lang. Was ist männlich, wie viel braucht ein Mann davon, um als Mann zu gelten. Muss er das überhaupt, ist diese «Männlichkeit» vielleicht doch nur noch eine Vokabel aus der Parfümwerbung? Die Gruppe Heino N. Schade ließen sich von Jens Thieles gleichnamigem Bilderbuch zu eigenen Bildern, Texten und dramaturgischen Lösungen anregen. Schwulsein oder Nicht-Schwulsein, das ist hier nicht die Frage. Jedenfalls nicht die alles bestimmende. Die beiden Musiker und Schauspieler prüfen Lebenshaltungen. Wer wen liebt – wie schwierig die erste Antwort auch sein mag, sie löst nicht ein für allemal unsere Probleme, es wird noch schwieriger: Wie verhalte ich mich zu mir, wie zu anderen. Wie gerecht und fair muss ich sein, selbst zu meinen Feinden. Was habe ich in diesem Leben mit mir vor; darf ich Angst haben, ohne gleich feige zu sein. Bleibende Fragen, ganz egal, ob man nun weiblich oder männlich, erst zehn oder schon erwachsen ist. Schade und Sellhorn werden mit Lust und Humor grundsätzlich aber nie allgemein oder didaktisch. Das Thema ist ihnen zu groß, um es auf eine einzige Geschichte oder Botschaft zu verengen, sie erhalten seine Vielfalt durch die Mittel des Erzähltheaters und der Collage. Das gelingt, ohne statisch zu dozieren oder szenisch beliebig zu werden. Bass und Cello, Dialog, Harlekinade, direkte Publikumsansprache und sogar Grönemeyer als Moritatengesang – Uwe Schade und Heino Sellhorn verfügen über viele Mittel, um auf leichte Art schwierig zu werden.» Oliver Bukowski Theaterheute-Muelheimer-Theatertage 2013
  • Vom Fischer und seiner Frau: Theater Triebwerk setzt "Fischer" klangvoll ins Bild Fundus-Theater. Das beste Theater ist das in unseren Köpfen. Schon Sergej Prokofjew hat in seinem Klassiker "Peter und der Wolf" damit gearbeitet, nur die Tonspur zu liefern und die Bilder der Fantasie zu überlassen. Ähnlich radikal geht das Theater Triebwerk bei seiner neuen Produktion "Die Fischers" vor, die jüngst im Fundus-Theater Premiere gefeiert hat. Statt das moralinschwere Grimm'sche Märchen "Vom Fischer und seiner Frau" bieder zu inszenieren, setzen Irene Eichenberger, Uwe Schade (Cello) und Heino Sellhorn (Kontrabass) bei ihrem szenischen Konzert auf die Kraft von Wort und Klang. Die Geschichte von der Frau, die nie genug bekommen kann, und ihrem ängstlich gehorchenden Mann erzählen sie mal mit verteilten Rollen, mal gleichsam im Chor und mit einem unerschöpflichen Schatz an akustischen Spezialeffekten. Alle unplugged - ob sie einen Sprachverzerrer nachahmen oder eine Plopp-Polka zum Besten geben. Das Ganze mixen sie mit dem lustvoll verfremdeten Contrapunctus XIII aus Bachs "Kunst der Fuge". Man hört das Wasser schäumen und den Butt blubbern, und das fast ohne Requisiten: Das ist geistreiches, beglückend-forderndes Theater. Wir brauchen mehr davon. Nicht nur unsere Kinder. Hamburger Abendblatt - 20. September 2011