Robin Hood: Ende der Legende

Robin Hood wird in der Theaterwerkstatt entzaubert

Goldig grell strahlt es aus der Holztruhe, um die sich Robin Hood und seine Mannen scheren. Ein Klumpen Edelmetall, ein Haufen Taler, gleich die ganze Staatskasse? Was immer die Räubertruppe dem Sheriff von Nottingham im wilden Kampf auch abgenommen hat: Die Aussichten sind blendend. So blendend, dass Little John des Nachts die Finger nicht von der Truhe lassen kann, sich seinen ganz persönlichen Teil greift – und ein Butterbrot aus der Kiste holt. Zuerst kommt eben immer noch das Fressen, dann die Moral. Und selbst ein Räuber im dunklen Sherwood Forest hat Hunger.

Es hat Witz, wie das Theater Fensterzurstadt, die Theaterwerkstatt Hannover und das Theater Triebwerk in einer Koproduktion die Legende des ehrenwerten Kämpfers für Gerechtigkeit entzaubern und auf den Boden der Tatsachen holen. Statt Gold gibt es eine Stulle – und so wie die Schauspieler daran kauen, dürfte sie einigermaßen trocken sein. Die drei freien Theater präsentieren unter der Regie von Ruth Rutkowski eine besonders verspielte Variation des Mythos Robin Hood. In seiner mindestens 800-jährigen multimedialen Laufbahn von den englischen mittelalterlichen Balladen bis zum heutigen Hollywoodkitsch musste der König der Räuber, Feind der Reichen und Mächtigen, Freund der Armen, der berühmteste Bogenschütze der Kulturgeschichte und Geliebte von Maid Marian schon einiges durchmachen: Mal war er Wegelagerer, mal Held in Strumpfhosen, mal verbrämt von Brian Adams.

Auf der Bühne der Theaterwerkstatt im Pavillon präsentiert das Ensemble aus vier Schauspielern und zwei Musikern eine ironisch-augenzwinkernde szenische Collage und zeigt die feine Kunst, aus wenigen Mitteln viel Theater zu machen. Da genügen ein paar Taschenlampen, um in der Dunkelheit eine schaurige Atmosphäre zu zaubern. Vollen Körpereinsatz liefern Carsten Hentrich und Alexandra Faruga im Zweikampf, bei dem aus dem Theaterspiel blutiger Ernst zu werden scheint. Wie Hentrich zudem die Backen plustert und halb stolz, halb verschämt als Pferd über die Bühne trabt, gehört zu den schönsten Momenten des leicht anarchischen Schauspiels, das aus einer ganzen Reihe von versponnenen Momenten besteht. Dazu gehören immer wieder ironische Überhöhungen einer guten, alten Zeit, die anscheinend noch echte Helden kannte. Da wird das Pfeifen des Rotkehlchens (englisch: robin), zum „Gesang von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ und beschwört eine Zeit herauf, in der „die Luft noch rein und klar“ war. „Das ist alles so schön und gut, mich gruselt fast ein bisschen“, sagt einmal Uwe Schade, der sonst seinem elektrisch verzerrten Cello dramatische Töne entlockt. Für die einen ist Robin Hood eben ein Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, für die anderen einfach nur ein Gauner.

Ralf Heußinger – Hannoversche Allgemeine Zeitung – 7. März 2011