Die verrückte Hutjagd

Theater Trieb­werk im Fundus Theater

Die verrückte Hutjagd

Text: Angela Dietz | Foto: Daniel Butowski

Das Wich­tigste in Oma Hannes Leben ist ihr Hut. Ohne ihn geht nichts. Eines Morgens ist er verschwunden. Oma Hanne ist entsetzt und macht sich unver­züg­lich auf die Suche. Mit Uwe Schade am Cello und Heino Sell­horn am Kontra­bass gerät Luzia Schel­ling als Oma Hanne unver­se­hens auf eine verrückt-poetische Schnit­zel­jagd. Etliche Tassen Kaffee und viele Fund­stücke später hat sie etwas Wich­tiges wieder­ent­deckt: die Erin­ne­rung an ein Stück Kind­heit und die Befreiung vom Hut.

In der Regie von Nina Matten­klotz und der ebenso mini­ma­lis­ti­schen wie wunder­schönen Ausstat­tung von Lena Hiebel gelingt es den drei Schau­spie­lern und Musi­kern für die überbor­denden Bilder von Sven Nord­qvists Vorlage eine ganz eigene ästhe­ti­sche Überset­zung zu finden. Die Fülle der Illus­tra­tionen und den Detail­witz überträgt das Theater Trieb­werk auf den Bühnen­text, die Musik und das Spiel. Das zuweilen Surreale des Bilder­buch­t­extes findet seine Entspre­chung im Bühnen­bild und -dialog. Während im Buch ledig­lich das Huhn an einer Stelle sprach­lich laut­malt und holper-stolpert, greifen Schade und Sell­horn das auf, um auf der Bühne nicht nur beim Huhn eine Reim-Assoziationskette zu rattern und zu singen, dass es eine Lust ist. Auch Hund und Hase hecheln und spre­chen ganz komisch. „… kalt, geschnallt, … Schuh, Wand, puh, Wand, Kuh, Hand­schuh …“. Der Witz erscheint nur vorüber­ge­hend als schöner Unsinn. Immer wieder entfaltet sich ein Bezug zum Bühnen­ge­schehen, zur Geschichte, kann neuer Sinn entstehen. Geraten erwach­sene Zuschauer darüber lächelnd ins Philo­so­phieren, spüren die Kinder im Publikum schon am Sprach­klang den Witz und brechen in lautes Gelächter aus.

Heino Sell­horn und Uwe Schade setzen ihre starken und viel­fäl­tigen Ausdrucks­mög­lich­keiten an Bass und Cello – wie bei den zahl­rei­chen anderen Produk­tionen des Thea­ters Trieb­werk – genau und maßvoll ein. Ein winziges Fund­stück, klack, fällt auf den Boden, begleitet von einem Walking-Bass. Wie eine E-Gitarre kreischt das Cello, wenn Verkaufs­leiter Kanini und Oma Hanne auf dem Bugatti abdüsen. Zarte Töne, wenige Töne, Klang­tep­pich im Hinter­grund, Lied­be­glei­tung oder Tacet, alles ist am Platz. Schau­spie­le­risch sind die beiden genauso überzeu­gend wie als Musiker. Eins durch­dringt das andere. Sell­horn strotzt vor Kraft und Leiden­schaft bei seiner Bluessänger-Einlage. Und obwohl die Zuschauer im Alter von fünf, sechs Jahren kaum den alten Hit von Step­pen­wolf kennen können, amüsieren sie sich köstlich.

Luzia Schel­ling als Oma Hanne – in der Vorlage ist die Haupt­figur ein Groß­vater – ist eine nicht nur sinn­volle Ergän­zung für das einge­spielte Duo Schade und Sell­horn. Mit ledig­lich zwei Spie­lern wäre die drama­tur­gi­sche Umset­zung des Bilder­buchs schwierig geworden. Schel­ling balan­ciert ihren überdi­men­sio­nierten Pappmaché-Kopf auf Oma Hannes eher zartem Körper und spielt mit beidem. Ein Wutan­fall, ein paar Worte oder die Lust am Fahrt­wind dringen stimm­lich durch die Maske und kommen gut zum Ausdruck, auch ohne bewegtes Mienenspiel.

Auf der Bühne nimmt der Kopf großen Platz ein, wie um deut­lich zu machen, was sich alles im Ober­stüb­chen abspielen kann – was das Publikum zu sehen bekommt. Nach der wilden Motor­rad­tour, einem Flug-Ritt zurück in die Jugend, setzt Oma Hanne den Helm­kopf ab. Sie ist ange­kommen, fast. Denn sie verharrt nicht in der Erin­ne­rung, sondern beginnt noch einmal – ohne Hut.